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Dr. Wolfgang Muth:
20 Jahre "Verein für Lübecker Industrie- und
Arbeiterkultur"
Vor 20 Jahren, am 22. Januar 1986, wurde der "Verein für
Lübecker Industrie- und Arbeiterkultur" gegründet, der sich als
Förderverein des Industriemuseums Geschichtswerkstatt Herrenwyk versteht.
Dieser Zeitraum, und vor allem die Erfolge, die der Verein erzielt hat,
erlauben es, diesen runden Geburtstag zu feiern. Und zu einer runden
Geburtstagsfeier gehört natürlich auch eine kleine Laudatio, die die
Lebensgeschichte des Jubilars in ihren wichtigsten Zügen beleuchtet.

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Am 13. Oktober 1985 war die Dauerausstellung "Leben und Arbeit in
Herrenwyk" im ehemaligen Werkskaufhaus der Metallhütte eröffnet
worden. Damit sollte die zweijährige Arbeit der "Geschichtswerkstatt
Herrenwyk" des Museums für Kunst und Kulturgeschichte ihren
Abschluss finden. Unter starker Beteiligung der Betroffenen hatte eine
kleine Gruppe die Geschichte des Hochofenwerks und seiner Beschäftigten
erarbeitet. In der Ausstellung und im begleitenden Buch wurde die
Geschichte vor allem von "unten", also aus der Sicht und
Erfahrung der Betroffenen heraus, dargestellt. Das Ganze sollte am 31.
Januar 1986 zu Ende sein, die Ausstellung wieder eingemottet werden. Sie
stieß nicht nur hier im Stadtteil und in Lübeck, sondern auch im ganzen
Land auf große Resonanz. Über 5000 Besucher kamen in den knapp
dreieinhalb Monaten.
Am 5. November 1985 schrieben die Fachschaften Geschichte, Erdkunde und
Chemie des Trave-Gymnasiums einen Brief an den Schulsenator Heinz Lund und
an den Gemeinnützigen Verein Kücknitz. Darin sprachen sie sich für den
Erhalt der Ausstellung am Ort und für die Umwandlung in eine
Dauereinrichtung aus. Zur Begründung hieß es:
"Die im Zusammenhang mit dieser Ausstellung geleistete Arbeit, die
zu einem beachtlichen und beeindruckenden Ergebnis geführt hat, die zudem
weiter gepflegt und fortgesetzt werden sollte, lässt sich für unsere
Arbeit im Unterricht auf vielfältige Weise nutzbar machen. Wir denken
dabei nicht nur an Besuche unserer Klassen, wir denken auch an die
Möglichkeit, Schüler unseres Einzugsbereichs für Projekte wie
Stadtteilforschung, Industriekultur u. a. gewinnen zu können (...). Die
damit im Zusammenhang stehenden Pläne und Vorstellungen setzen aber
voraus, dass uns diese Ausstellung erhalten bleibt, eingebettet in die
Umgebung, aus der sie erwachsen ist."
Kopien des Schreibens gingen an die Bürgerschaftsfraktionen, die anderen
Lübecker Gymnasien, die Trave-Realschule und die Elternschaft des
Travegymnasiums.
Die SPD-Fraktion antwortete am 21. November 1985 auf diesen Brief. Sie
erklärte, dass sie bereits in der Augustsitzung der Bürgerschaft einen
Antrag auf Erwerb des Gebäudes durch die Stadt gestellt habe, um den
Erhalt der Geschichtswerkstatt zu sichern. Dieser Antrag sei allerdings
durch Mehrheitsbeschluss der CDU abgelehnt worden.
In der Folgezeit sprachen sich der Arbeitskreis Kultur der SPD, die Jusos
und im Januar auch die FDP öffentlich für den Erhalt der Ausstellung
aus. Im Dezember wurde ein Offener Brief an die Bevölkerung und an
Vereine und Institutionen im Stadtteil verteilt, unterschrieben von den
drei Pastoren Volker Heiden und Egbert Staabs von der St. Johannes
Gemeinde und Alfons Liening von der St. Joseph Gemeinde, dem
Gemeinnützigen Verein, der Elternschaften des Trave-Gymnasiums und der
Trave-Realschule sowie der Schulleitungen der beiden Schulen. Darin wurde
zu einer Einwohnerversammlung eingeladen, die einen Trägerverein gründen
sollte, um die Geschichtswerkstatt zu erhalten.
Die Versammlung fand am 19. Dezember 1985 im Travegymnasium statt. 35
Interessenten hatten sich zusammengefunden. Es wurde ein kommissarischer
Vorstand gewählt, bestehend aus den Pastoren Volker Heiden und Egbert
Staabs, dem Vorsitzenden des Gemeinnützigen Vereins Werner Macziey, dem
langjährigen Leiter des Hauptlabors des Hochofenwerkes Hans Hermann
Schmieder, den Lehrern Andreas Schütt-Voss von der Trave-Realschule und
Hans Peter Thomsen vom Trave-Gymnasium sowie der pensionierten Lehrerin
Dr. Lena Stricker. Dieses Gremium wurde mit der Vorbereitung der
Vereinsgründung und der Ausarbeitung einer Satzung beauftragt. Außerdem
sollte es Verbindungen mit den zuständigen Stellen der Stadt und des
Landes aufnehmen, um die Fortführung der Ausstellung zu erreichen und
langfristig den Erhalt der Geschichtswerkstatt zu sichern.
Anfang Januar traf sich dieser Vorstand mehrmals zu Sitzungen, in denen
Satzung und Vereinsgründung vorbereitet wurden. In den Diskussionen wurde
auch ausführlich über die Vorstellungen der Mitarbeiter der
Geschichtswerkstatt für die weitere inhaltliche Arbeit der Einrichtung
debattiert. Für den 22. Januar 1986 wurde dann zur offiziellen
Gründungsversammlung ins Travegymnasium eingeladen.
An dieser Versammlung nahmen 59 Personen teil, die Ihren Beitritt zum
Verein erklärten. Es wurde eine Satzung verabschiedet, die in § 2 den
Vereinszweck wie folgt definierte. "Der Verein stellt sich die
Aufgabe, ausgehend vom Bestand der Geschichtswerkstatt Herrenwyk, dafür
einzutreten, dass in Lübeck die Geschichte der Arbeitswelt, des
Lebensalltags der Arbeiter und Angestellten und der Arbeiterbewegung am
Beispiel der für die Lübecker Region wichtigen Wirtschaftsbranchen
dargestellt wird." Dazu sollten die Voraussetzungen geschaffen
werden, Dokumente und Objekte zu sammeln, Ausstellungsräumlichkeiten zu
erhalten und zu ergänzen, finanzielle Mittel für die Ausstattung des
Museums einzuwerben und Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.
Der Gründungsvorstand setzte sich aus Studiendirektor Hans Peter
Thomsen als 1. Vorsitzenden, Pastor Egbert Staabs als 2. Vorsitzenden,
Frau Dr. Lena Stricker als Schriftführerin, Dipl. Ing. Hans Hermann
Schmieder als Kassenwart und Werner Macziey, Volker Heiden und Andreas
Schütt-Voß als Beisitzer zusammen.
Der Vorstand ging nun mit einem ziemlichen Elan ans Werk. Man traf sich
im Abstand von 14 Tagen zu regelmäßigen Sitzungen. Vor allem der Erhalt
des alten Kaufhauses als Ausstellungsort stand im Mittelpunkt der
Anstrengungen. Der Lübecker Bauverein hatte das Gebäude zusammen mit
anderen an einen Lübecker Gastronomen verkauft, der die Räumung für
Ende November des Jahres verlangte. Man setzte sich bei der Stadt für den
Erwerb des Gebäudes ein und diskutierte konkrete Umbaupläne für die
Zwecke des Museums. Gleichzeitig besichtigte man aber auch mögliche
Ausweichmöglichkeiten, wie z. B. ehemalige Verwaltungsräume des Werkes
im Torhaus.
Im Juni 1986 wurde der Kaufvertrag zwischen dem Besitzer und der
Hansestadt Lübeck abgeschlossen, so dass nun konkret an der
Weiterführung des Museums gearbeitet werden konnte.
Teilweise machten sich die Vorstandsmitglieder auch Gedanken darüber,
das Museum selbst zu betreiben. Man errechnete eine jährliche Summe von
250.000 DM, die durch den Verein dazu aufgebrachte werden müssten. Der
Vorstand machte sich Hoffnungen auf Mithilfe des Landes und des Bundes,
die um Zuschüsse angegangen werden sollten.
In den Jahren bis 1989 war es das Hauptziel des Vereins, die
Weiterarbeit des Museums personell abzusichern. Man verlangte von der
Stadt, feste Stellen sowohl für den technischen und Verwaltungsbereich,
als auch für die wissenschaftliche Betreuung zu schaffen. Bis Ende 1989
alle Voraussetzungen dazu geschaffen waren, übernahm der Verein über
weite Strecken die Aufsicht zu festgelegten Öffnungszeiten. Ende 1988
wurden eine volle und zwei halbe Stellen für den technischen und
Verwaltungsbereich geschaffen. Die wissenschaftliche Betreuung wurde bis
Ende 1988 durch ABM-Stellen sichergestellt.
Ein Problem, mit dem der Verein sich zu dieser Zeit rumschlagen musste,
war die Tatsache, dass das Museum immer noch formal zum Museum für Kunst
und Kulturgeschichte gehörte. Der damalige Leiter des Museums für Kunst
und Kulturgeschichte war gegen die Weiterführung der Geschichtswerkstatt
und lähmte so zum Teil die weitere Entwicklung. Immer wieder musste der
Vereinsvorstand bei Kultursenator Lund intervenieren, um die Weiterarbeit
abzusichern. Erst als die Geschichtswerkstatt 1989 direkt dem Amt für
Kultur unterstellt wurde, löste sich dieser Knoten langsam.
![Geschichtwerkstatt Herrenwyk [Foto: R. Giercke]](../images/geschichtswerkstatt-XS.jpg)
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Nach meiner Einstellung als wissenschaftlicher Leiter im November 1989
verlegte sich die Hauptarbeit des Vereins auf die Mithilfe bei der Planung
und Durchführung des Kulturprogramms und später auch der
Sonderausstellungen. Von besonderer Wichtigkeit war dabei immer die
Beschaffung von Geld für die Unterstützung unserer Arbeit. Ein wichtiges
Instrument dazu ist die Veranstaltung unseres jährlichen Hoffestes, das
sich seit 1987 einen festen Platz im Veranstaltungskalender des Stadtteils
Kücknitz gesichert hat. Viele Vereine und Verbände, aber auch Firmen und
Einzelpersonen unterstützen uns regelmäßig dabei.
Ein ewiges Thema war die Frage der Öffnungszeiten und damit der
Beaufsichtigung der Ausstellung. Feste Stellen dafür wurden von der Stadt
nie geschaffen. Immer wieder musste der Verein einspringen, musste
Aufsichtskräfte finanzieren. Über lange Strecken waren es aber auch
Vorstandsmitglieder selbst, die für die Öffnungszeiten sorgten.
Seit 1987 hat der Verein sich endgültig zur Organisation und
Finanzierung der Aufsicht verpflichtet. Diese Aufgabe wurde auch
schriftlich in einem Vertrag mit der Hansestadt Lübeck fixiert. Im
Gegenzug – als Hilfe für die Finanzierung – erhält der Verein die
Eintrittsgelder an den Wochenenden. Seit Ende 2004 hat der Verein auch die
Reinigung des Hauses finanziell übernommen.
Von besonderem Wert war der Verein immer wieder, um Versuche
abzuwehren, das Haus langfristig zu schließen. Vor allem 1987 und zuletzt
2004 gab es Überlegungen in der Verwaltung, aus Einsparungsgründen das
städtische Personal abzuziehen und die Betreuung des Hauses ganz auf den
Verein zu übertragen, was den langfristigen Tod der Einrichtung bedeutet
hätte. Durch gezielte Protestaktionen konnte in beiden Fällen dieser
Beschluss abgewendet werden.
Zum Schluss noch einige Worte zur Vorstandsarbeit und zur
Mitgliederentwicklung.
Der Verein konnte seine Arbeit nur über das große ehrenamtliche
Engagement seiner Vorstandsmitglieder sicherstellen. Es ist an dieser
Stelle unmöglich, alle Namen von denjenigen aufzuzählen, die sich im
Laufe der letzten 20 Jahre hier engagiert haben. Stellvertretend möchte
ich die Vorsitzenden nennen: Hans Peter Thomsen, Hans Hermann Schmieder,
Otto Kastorff, Harri Zelazko und seit einem dreiviertel Jahr Jürgen
Kandulla. Besonders erwähnen möchte ich darüber hinaus noch Helga
Martens, die seit 14 Jahren ununterbrochen im Vorstand tätig ist,
zunächst als Beisitzerin, seit 1997 als stellvertretende Vorsitzende, und
Egbert Staabs, der von der Gründung bis 1997 stellvertretender
Vorsitzender war, und nun - nach einer Auszeit - sich wieder stärker
engagiert und Führungen durch die Dauerausstellung macht. Ich erinnere
mich auch daran, dass er gerne - wenn es notwendig war - den
Aufsichtsdienst am Samstag übernahm. Dann konnte er in Ruhe seine
Sonntagspredigt vorbereiten ...
Der Verein hat eine gute Mitgliederentwicklung zu verzeichnen gehabt.
Bei der vorbereitenden Versammlung erklärten sich 35 Menschen zu einer
Mitgliedschaft bereit. Bei der Gründungsversammlung waren es bereits 59,
kurze Zeit darauf 80. Bis zur ersten ordentlichen Mitgliederversammlung im
Mai 1986 war diese Zahl auf 166 gestiegen, ein Jahr später waren 177
Mitglieder eingeschrieben. In der Zwischenzeit hat sich der
Mitgliederstand auf etwa 220 eingependelt. Die Mitgliedsbeiträge, auch
wenn sie bewusst niedrig gehalten sind, stellen eine bedeutende
Einnahmequelle des Vereins dar. Das bedeutetet: Es können nie genug sein
- neue Mitglieder sind uns immer herzlich willkommen.
Lübeck, im Januar 2006
Die Geschichtswerkstatt ist
freitags von 14 - 17 Uhr und samstags und sonntags von 10 - 17 Uhr
geöffnet.
Verein für Lübecker Industrie- und Arbeiterkultur
Kokerstraße 1 - 3
23569 Lübeck
Telefon/Fax: 0451/30 11 52
E-Mail: geschichtswerkstatt@luebeck.de |
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