Das lübsche Forsthaus Waldhusen von 1765
Wird die Stadt dieses kulturhistorische Kleinod verlieren?
von Hans Rathje Reimers, Kücknitz den 06.02.2006 und
Ergänzung vom 14.08.2009
Das Forsthaus Waldhusen nahe dem Ortsteil Kücknitz befindet sich
zurzeit noch im Eigentum des St. Johannis-Jungfrauenklosters zu Lübeck.
Der umliegende Wald wirft seit nahezu 700 Jahren seine Erträge für das
Kloster ab.
Der Zweck der heutigen Stiftung St. Johannis-Jungfrauenkloster besteht
laut Satzung darin, gemeinnützige und mildtätige Zwecke zu erfüllen,
insbesondere ein Stift für alleinstehende Damen über 50 Lebensjahre zu
unterhalten.
Der Name Waldhusen taucht ab 1715 in den Akten des klösterlichen
Archivs auf. Die Entstehung des heutigen Gebäudekomplexes Waldhusen hängt
mit den Bemühungen des Klosters zusammen, die Waldwirtschaft in den klösterlichen
Wäldern des Travemünder Winkels in geordnete Bahnen zu lenken,.
Unerlaubte Rodungen und Holzdiebstähle hatten die Wälder stark
mitgenommen. Die den Bauernvögten der umliegenden Ortschaften
aufgetragene Aufsicht hatte nicht gefruchtet und konnte es auch wohl
nicht. Sie hatten die gleichen Interessen am Wald wie die übrigen
Dorfschaftsgenossen, lebten mit ihnen zusammen in der Dorfgemeinschaft und
waren oft mit ihnen verschwägert. Kein Wunder, dass sie ihre Dorfgenossen
nicht wegen irgendwelcher Waldvergehen bei der Obrigkeit anschwärzten.
![Forsthaus Waldhusen [Foto: Macziey]](../images/Waldhusen3-M.jpg)
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Um diesen Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, begann das Kloster ab
1715 unabhängige Holzvögte für ihre Wälder zu bestellen. Da diese,
wenn sie in den Dörfern wohnten, von den Dörflern kontrollierbar waren,
baute man ihnen abseits der Dörfer Wohnungen in den Wald hinein, meist an
den Zugängen zum Wald. So auch in Waldhusen. Die Holzvögte - später
auch Förster genannt - setzten die obrigkeitlichen Verfügungen zum
Schutze der Wälder gegen die Dorfeingesessenen durch und machten sich
diese deshalb oft zum Feind. Verachtung für den Holzvogt, der auch
wirtschaftlich und sozial weitaus schlechter gestellt war als die Bauern,
war die selbstverständliche Folge. Der geringschätzige Satz: "Der
haust ja auch im Walde!" war der Ursprung des Namens für das hiesige
Forstgehöft.
Als der Beruf des Holvogtes durch die Aufgaben der Waldwiederbegründung
und -pflege zusätzlich zu den bisherigen Schutzfunktionen aufgewertet
wurde, gestand man ihm auch ein höheres Gehalt, mehr Dienstland und eine
größere Dienstwohnung zu. Der Holzvogt zog als Förster aus seiner auch
heute noch vorhandenen Kate in das 1765 erbaute Forsthaus um. Das
Forsthaus Waldhusen hatte die Ausmaße eines normalen Bauernhauses und
wurde auch im gleichen Stil erbaut. Dem Förster wurde Land zur
landwirtschaftlichen Bewirtschaftung zugewiesen, das in etwa dem eines
Hufners entsprach. Nun konnte der Förster den Hufnern der umliegenden Dörfer
auf gleicher Augenhöhe begegnen und somit effektiver den Ausgleich der
Interessen zwischen Wald und Dorfschaft befördern. Dieser Prozess endete
mit der Ablösung der Allmende und verschaffte den Bauern das persönliche
Eigentum an ihrem Land, bedeutete aber gleichzeitig die Aufhebung aller
Rechte der Dorfschaften am Wald. Damit war auch der Grund gelegt für die
Aussöhnung zwischen Förstern und Bauern.
Die grundherrschaftlichen Anforderungen an den Beruf des Försters
stiegen weiterhin und die forstwissenschaftlichen Kenntnisse machten
erhebliche Fortschritte. Der empirisch gebildete Förster reichte dem
Kloster nicht mehr; es stellte 1806 einen akademisch ausgebildeten
Forstmann an. Dieser hob sich finanziell und bildungsmäßig deutlich von
der Dorfbevölkerung ab. Das musste natürlich auch nach außen hin
dokumentiert werden. So bekam 1807 das Forsthaus Waldhusen einen größeren
Anbau und einen vorgelagerten Park und damit seinen
"herrschaftlichen" Charakter.
Dieser mag auch den Dichter Emanuel Geibel (1815-1884) angezogen haben,
der einige Zeit im Forsthaus lebte und dichtete. Das Geibel-Zimmer mit
Blick auf die Waldwiese erinnert noch heute daran.
Alle drei beschriebenen Stufen der soziologischen Entwicklung des
Berufes des Forstmannes lassen sich an den Baulichkeiten des
Forsthauskomplexes Waldhusen noch heute in reiner Form und in ungestörter
Folge ablesen:
- Der alte Holzvogtkaten von ca. 1715 zumindest in seiner äußeren
Erscheinung,
- das Forsthaus im niedersächsischen Bauernhausstil von 1765 und
- der "herrschaftliche" Anbau mit Park von 1807 sind noch
erhalten.
Dieses Ensemble stellt also ein einmaliges Denkmal der
sozio-kulturellen Entwicklung eines Berufsstandes dar, der über
Jahrhunderte hinweg ökonomische, kulturelle und landschaftsgestaltende
Funktionen wahrgenommen hat und noch heute wahrnimmt.
Wegen seiner bauhistorischen Bedeutung steht das Forsthausensemble
Waldhusen unter Denkmalschutz. Die soziokulturelle Bedeutung wurde bisher
wenig wahrgenommen und erörtert, ist aber mindestens ebenso bemerkenswert
wie der bauliche Wert und von überregionaler Bedeutung im norddeutschen
Raum. Dass der Forsthauskomplex Waldhusen nach fast 300 Jahren immer noch
seiner ursprünglichen Zweckbestimmung dient, ist außergewöhnlich und
hebt den Wert der Anlage deutlich.
Das Forsthaus Waldhusen diente
- von 1765 bis 1806 als Försterei für den Wald Waldhusen
- von 1806 bis 1875 als St. Johannis-klösterliche Oberförsterei
- von 1875 bis 1909 als Försterei Waldhusen innerhalb der Revierförsterei
Israelsdorf
- von 1909 bis 1919 als Oberförsterei der vereinigten klösterlichen
und städtischen Forsten
- von 1919 bis 1934 als selbständig wirtschaftende Einheit des
verwaltenden Revierförstersystems
- von 1934 bis heute als Revierförsterei des Stadtforstamtes Lübeck
/ Bereiches Stadtwald Lübeck.
14 Forstleute hatten bisher das Forsthaus Waldhusen als Dienstsitz
inne:
- 1765 - 1806 Förster Johann Jürgen Böttcher
- 1806 - 1838 Forstinspektor Georg Ludwig Kuntze
- 1838 - 1840 kommissarischer Förster Eberhard Kuntze
- 1840 - 1875 Oberförster Carl Hermann Haug
- 1875 - 1890 Förster Johannes Wilhelm Cabell
- 1890 - 1908 Revierförster Friedrich Johannes Gotthold von Großheim
- 1909 - 1919 Oberförster Carl Heinrich Friedrich Kluth
- 1919 - 1936 Revierförster Albert Schroeder
- 1936 - 1945 Revierförster Willi Karl Gustav Schmahl
- 1945 Revierförster Waldemar Lenz
- 1945 - 1946 Revierförster Willi Ernst Erich Teuwsen
- 1946 - 1955 Revierförster Karl Marius Specht
- 1955 - 1965 Revierförster Willi Karl Gustav Schmahl
- 1965 - 2006 Forstamtmann Hans Rathje Reimers
Die Zukunft dieses bemerkenswerten Forsthauses sieht düster aus.
Natürlich bin ich als bisher letzter im Forsthaus Waldhusen wohnhaft
gewesener Förster befangen und habe auch ein ganz persönliches Interesse
am Fortbestehen des forstlichen Dienstsitzes Waldhusen. Über 40 Jahre
habe ich dort wohnend und für den Wald wirkend zugebracht. Beides hat
mich sehr ausgefüllt und befriedigt. Mein Herzblut hängt an diesem Haus
und an dem umliegenden Waldrevier!
Um so mehr macht es mich betroffen, dass demnächst die lange
traditionsträchtige Ära dieses Forststandortes zu Ende sein könnte. Wie
es scheint soll das Forsthaus Waldhusen wohl für gewerbliche Zwecke
meistbietend an Fremde verkauft werden. Das St. Johanniskloster als
derzeitiger Eigentümer hat nicht die Mittel, weiterhin als Träger dieses
Hauses zu fungieren. Die Stadt weigert sich, das Forsthaus zu übernehmen.
Dabei müsste gerade sie ein gesteigertes Interesse am Erhalt des
Forststandortes haben. Zwei Drittel der von Waldhusen aus bewirtschaften
Flächen gehören der Stadt, ein Drittel den Stiftungen. Gerade die Stadt
braucht den Verwaltungsmittelpunkt für das Revier, eine Dienstwohnung für
den neuen Förster, Platz für Naturbildungsangebote u.a.
Das Forsthaus Waldhusen ist der verwaltungsmäßige Mittelpunkt für
ein Gebiet, das umgrenzt wird von den Waldungen auf dem Priwall, am
Brodtener Ufer, in Schwochel und Schwinkenrade in der Gemeinde Ahrensbök,
auf dem Krumbecker Hof in der Gemeinde Stockelsdorf, von den Roggenhorster
Aufforstungen und von der Lehmbeck bei Reecke. Diese Waldflächen
verteilen sich auf die Besitzer Hansestadt Lübeck, St.
Johannis-Jungfrauenkloster, Heiligen Geist Hospital und Kurverwaltung
Travemünde.
Das Forsthaus Waldhusen ist im Bewusstsein der umliegenden Ortschaften
ein fester Anlaufpunkt für Holzinteressenten (jährlich an die 300) und Bürger,
die Auskünfte wünschen über Wald, Tiere und Naturschutzfragen. Die wöchentliche
Sprechstunde am Mittwoch Vormittag ist stets zeitlich voll ausgenutzt
durch Besucher. Diese hätten sicher kein Verständnis dafür, wenn die
Forstdienststelle an einen anderen, den Besuchern unbekannten,
wahrscheinlich auch ungünstigeren Ort verlegt würde. Viele besorgte
Anfragen, was denn wohl mit der Försterei geschehen werde, wenn der
Verfasser dieser Zeilen in Pension gehe, zeugten schon im letzten Jahr von
der Verunsicherung bei der umwohnenden Bevölkerung, aber auch von der
Wertschätzung des alten Forsthauses.
Das Forsthaus ist groß, weil es einst als Sitz des leitenden Oberförsters
erbaut wurde, dem ein landwirtschaftlicher Betrieb angeschlossenen war. Es
ist deshalb auch teuer in der Unterhaltung. Die logische Konsequenz aus
den bereits gesagten ist:
- Die Stadt muss das Forsthaus vom Kloster für einen angemessenen
Preis übernehmen. Sie erspart sich dann den Neubau einer Försterei!
- Man muss die vielen zur Zeit brachliegenden Räumlichkeiten
nutzbringend umgestalten.
Diesem Ziele dienten die vom Bereich Stadtwald Lübeck initiierten und
vom Gemeinnützigen Verein (Muttergesellschaft und Tochter Kücknitz)
bewirkten und vom dem Architekten Justus Deecke angestellten "Überlegungen
über zukünftige Nutzungsmöglichkeiten des Forsthauses Waldhusen".
Neben der Dienstwohnung für den Förster sind vier weitere Wohneinheiten,
daneben die heutige Tenne als Seminarraum, Räume für Waldjugendgruppen
und für einen Waldkindergarten angedacht. Die Mittel hierfür könnten
durch Spenden aufgebracht werden. Meines Wissens hat der zuständige
Senator für Umwelt diesbezüglich bereits erste Gespräche aufgenommen.
Wenn das Forsthaus von 1765 in der Verwaltung der Hansestadt Lübeck
bliebe, wäre viel Positives erreicht:
- Der Denkmalpflege wäre Rechnung getragen.
- Das Bauensemble würde nicht zweckentfremdet.
- Es käme keine unerwünschte Nutzung in den Wald. (Selbst ein
Bordell ist schon im Gespräch ...)
- Die Stadt brauchte sich nicht um einen neuen Dienstsitz für den Förster
zu sorgen.
- Der benötigte Hofraum für Veranstaltungen (z.B.
Weihnachtsbaumverkauf) und Stellraum für Maschinen und Geräte bliebe
erhalten.
- Die Infrastruktur für die dringend nötige Umweltpädagogik wäre
vorhanden (Waldkindergarten, Waldjugendgruppen, Erwachsenenseminare)
![Forstkate Waldhusen [Foto: Macziey]](../images/Forstkate-M.jpg)
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Man wird einer großen Vergangenheit und einer würdigen Zukunft nicht
dadurch gerecht, dass man den finanziellen Vorteil um jeden Preis
maximiert. Der gute Lübecker Kaufmann und hansestädtische Politiker
wusste das und optimierte seine Geschäfte - unter Berücksichtigung des
Wohls seiner Heimatstadt.. In Anlehnung an Ralf Dahrendorf möchte die
neue Direktorin der "Gemeinnützigen" diejenigen Bürger und
Ziele unterstützen, die "keinem platten Ökonomismus huldigen und
Wertefragen nicht unter den Tisch fallen lassen".
Das Ende der Geschichte eines traditionsreichen Forsthauses und eines
Geibel-Hauses steht bevor - mitten in der Weltkulturerbestadt Lübeck,
wenn die Lübecker Politik nicht entsprechend handelt!
Das historische Forsthaus Waldhusen von 1765 muss der Stadt erhalten
bleiben!
Gekämpft:
Der Gemeinnützige Verein Kücknitz e.V. hat sich massiv für den Erhalt
des Forsthauses als Försterei und für eine weitere öffentliche Nutzung
für interessierte Bürger eingesetzt.
Und doch verloren:
Der politische Wille war dazu in Lübeck nicht vorhanden und die
finanzielle Not des Eigentümers (St. Johannis-Kloster) diktierten
deshalb den Verkauf des Forsthauses.
Hoffnungsvoller Neubeginn:
Am 1. November 2008 ging das Forsthaus in privaten Besitz über. Seitdem
wird es sehr behutsam, aber mutig und geschmackvoll restauriert.
Die neuen Eigentümer streben neben ihrer privaten Wohnung eine ähnliche
Nutzung des Gebäudes an, wie es der Gemeinnützige Verein Kücknitz e.V.
im Verein mit dem Architekten J. Deecke (Mitglied in der Vorsteherschaft
der Muttergesellschaft) schon im Jahre 2005 angedacht hatte: Symposien
mit Übernachtungsmöglichkeiten und Bewirtungen (Restaurant, Cafe, Grill)
und öffentliche und private Veranstaltungen und Feste auf der Tenne,
Ferienwohnungen.
So bleibt das Forsthaus doch wohl den Kücknitzern und Lübeckern
"halböffentlich" erhalten. Sukzessive werden viele Teile des Gehöftes
der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden.
Damit können der Gemeinnützige Verein und wohl auch die Kücknitzer
zufrieden sein!
Wir wünschen den neuen Eigentümern Freude und Erfolg mit dem alten
Forsthaus!
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